Stärker als Gewalt

WIE DIE CORONA-KRISE HÄUSLICHE GEWALT VERSCHÄRFEN KANN.

Die aktuelle Corona-Krise stellt viele Familien und Partnerschaften vor große Herausforderungen. Zu wenig Platz, Bewegungsmangel und Unsicherheit sorgen für Anspannung. Auch Zukunftsängste, finanzielle Sorgen oder ungewohnte Tagesabläufe verstärken den Stress. So kommt es häufiger zu Streit, Aggressionen oder Gewaltausbrüchen.

In dieser schwierigen Situation steigt das Risiko für eine Zunahme häuslicher Gewalt. Gleichzeitig sind die Möglichkeiten, sich Hilfe im Familien- oder Freundeskreis oder bei einer Beratungsstelle zu suchen, durch Kontaktsperren oder Quarantäne eingeschränkt.

Wer zuhause Gewalt erfährt, ist aber auch in der aktuellen Ausnahmesituation nicht allein. Bundesweite Angebote bieten schnelle und unbürokratische Beratung – telefonisch, per WhatsApp oder per Internet. So finden von Gewalt Betroffene Hilfe und Unterstützung, wenn das eigene Zuhause nicht sicher ist.

Gewalt erkennen: Gewalt fängt nicht erst bei Schlägen an. Dazu gehört auch psychische Gewalt in Form von Demütigungen, Drohungen oder Einschüchterungen. Belastende Situationen wie die aktuelle Corona-Krise können dieses Verhalten verschlimmern. Familie, Freundinnen und Freunde, aber auch Nachbarinnen und Nachbarn, sind jetzt besonders gefragt, aufmerksam zu sein und auf Zeichen häuslicher Gewalt in ihrem Umfeld zu achten und aktiv zu werden.

SIE SIND AKUT VON HÄUSLICHER GEWALT BETROFFEN?
DAS KÖNNEN SIE WÄHREND DER CORONA-KRISE TUN.

In einer Ausnahmesituation gilt: Wenn der Partner oder die Partnerin droht oder gewalttätig wird, müssen Sie das nicht hinnehmen. Sie tragen keine Verantwortung für das gewalttätige Handeln Ihres Partners oder Ihrer Partnerin. Sie sind nicht schuld. Wer Gewalt erlebt, hat immer Anspruch auf Hilfe und Unterstützung. Häusliche Gewalt kann jeden Menschen treffen – unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, Herkunft oder Religion. Sie sind nicht allein.

Der Weg aus einer gewalttätigen Beziehung verlangt Kraft und Mut. Wenn Sie von häuslicher Gewalt betroffen sind, holen Sie sich die Unterstützung, die Sie brauchen.

Auch wenn der persönliche Kontakt zum vertrauten Umfeld in der Corona-Krise deutlich erschwert ist: Überlegen Sie, wem sie vertrauen und zögern Sie nicht, sich an den Freundeskreis, Familie, Bekannte oder die Nachbarschaft zu wenden und um Hilfe zu bitten.

Oder wenden Sie sich direkt an eine Beratungsstelle. Beratungsstellen helfen per Telefon, aber auch per WhatsApp oder Chat über das Internet, einen Weg aus der Gewalt zu finden. Hier unterstützen Sie geschulte und erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – kostenfrei und auf Wunsch anonym. In jedem Fall entscheiden Sie als betroffene Person selbst, welche Hilfe Sie in Anspruch nehmen und welche Schritte Sie gehen wollen. Sie sind zu nichts verpflichtet und können sich auch erst einmal nur informieren.

Unter der kostenlosen Telefonnummer 08000 116 016 beraten und informieren die Mitarbeiterinnen des Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen" in 18 Sprachen zu allen Formen von Gewalt gegen Frauen. Weitere Informationen finden Sie unter https://www.hilfetelefon.de/. Von Gewalt betroffene Männer finden Hilfe unter https://maennerberatungsnetz.de/.

SO KANN DAS DIREKTE UMFELD HELFEN

Bei den Nachbarn wird es immer mal wieder laut, Lärm und Geschrei sind an der Tagesordnung? In solchen Situationen ist man oft unsicher: Ist das ein „normaler“ Streit oder häusliche Gewalt? Oft entwickelt sich häusliche Gewalt in einem schleichenden Prozess. Deshalb ist es besonders wichtig, bei Verdacht auf Warnsignale wie Kontrolle in der Partnerschaft, aber auch eskalierende Streitsituationen zu achten.

Für Betroffene ist es oft sehr schwer, sich selbst aus der Gewaltsituation zu befreien und beispielsweise ihren Partner oder ihre Partnerin zu verlassen. Deshalb ist es so wichtig, dass die Menschen im Umfeld sie dabei unterstützen.
Gerade in der aktuellen Corona-Krise, die für Familien und Partnerschaften mit Ausgangsbeschränkungen und Existenzängsten zu einer großen Belastung werden kann, ist eine aufmerksame Nachbarschaft jetzt ganz besonders wichtig.

Um Betroffene zu unterstützen und sie vor häuslicher Gewalt zu schützen, gilt daher:

Hinschauen und Hinhören: Wenn Sie Warnsignale bemerken, die auf häusliche Gewalt hindeuten, ignorieren Sie diese nicht. Für Betroffene kann es in dieser Zeit der sozialen Isolation besonders schwierig sein, sich Hilfe und Unterstützung zu suchen – umso mehr sind die Nachbarinnen und Nachbarn jetzt gefragt.

Informieren: Um Betroffenen zu helfen und die Nachbarschaft zu sensibilisieren, können Sie zum Beispiel das Infoposter gegen häusliche Gewalt downloaden und ausdrucken und im Hausflur aufhängen. Hier finden Betroffene die Website-Adresse und können sich so über Hilfe- und Beratungsangebote informieren.

Deeskalieren: Wer Zeugin oder Zeuge einer akuten Konfliktsituation wird, kann auch deeskalierend einschreiten – solange die eigene Sicherheit nicht gefährdet ist. So zum Beispiel: Klingeln Sie und fragen Sie nach Zutaten für einen Kuchen. So unterbrechen Sie eine eskalierende Situation. Wenn Sie Zeugin oder Zeuge einer Auseinandersetzung auf der Straße oder im Hausflur werden, können Sie den Täter/die Täterin durch eine unverfängliche Frage ablenken, zum Beispiel nach der Uhrzeit oder zu Neuerungen/Renovierungen im Haus, wenn es sich um Personen aus dem eigenen Wohnhaus handelt.

Kontaktieren: Versuchen Sie, Kontakt zu der von Gewalt betroffenen Person aufzunehmen und bieten Sie Ihre Unterstützung an. Wenn ein Gespräch zustande kommt, versuchen Sie zu verstehen, wie die betroffene Person sich gerade fühlt und was sie braucht. Geben Sie ihr das Gefühl, nicht allein zu sein, und informieren Sie über Hilfeangebote und Beratungsstellen.

Wichtig: Die Kontaktaufnahme sollte so geschehen, dass der Täter/die Täterin davon nichts mitbekommt. Auch wichtig: Geben Sie der betroffenen Person Raum und Zeit. Bedrängen Sie sie nicht und akzeptieren Sie persönliche Grenzen. Unternehmen Sie nichts gegen den Willen der betroffenen Person – auch wenn es Ihnen schwerfällt. Die einzige Ausnahme: Akute Bedrohung oder Gefahr für die betroffene Person und ihre Familie.

Alarmieren: Wenn Sie davon ausgehen müssen, dass Menschen bereits durch akute Gewalt bedroht sind, zögern Sie nicht und rufen Sie direkt die Polizei unter 110.

Besonders wichtig: Auch wenn Sie in bester Absicht handeln, sollte dies nie ohne das Einverständnis der betroffenen Person geschehen. Außer, wenn akute Gefahr droht – dann muss die Polizei einschreiten. Ebenso gilt: Wer helfen will, sollte sich nie selbst in Gefahr begeben.

Weitere Informationen finden Sie unter www.stärker-als-gewalt.de.